Die Arve

Überlebenskünstlerin in rauer Umgebung

Welcher Holzliebhaber kennt die Arve nicht? Das Erste, was uns bei diesem Baum in den Sinn kommt, ist wohl der ureigene Geruch. Dieses im Holz eingelagerte ätherische Öl namens „Pinosylin“ ist verantwortlich für den charakteristischen Duft. Seine Wirkung entspannt uns, der Organismus kann unbewusst darauf reagieren und beispielsweise die nächtliche Herzfrequenz zurückfahren. Was sind die Charakteristika der Arve, auch Zirbe genannt, und die ihres Holzes?

Ein Baum mit vielen Namen

Der in der Deutschschweiz gebräuchliche Name „Arve“ entstammt vermutlich dem französischen Wort „Arbre“ für „Baum“ und wird auch in der Romandie bis nach Savoyen gleich oder ähnlich benannt – zum Teil auch „Arbe“ oder „Arolle“. Im östlichen Alpenraum von Südbayern, Österreich bis Südtirol nennt man den Baum meist „Zirbe“ oder bloß „Zirm“. Das kommt von „sich im Kreise drehen“ oder „wirbeln“, in Romanisch meist „Schiember“ und in Ladinisch „Cier, Cirum“.

Wo die Arve wächst

Mir persönlich sind nicht viele Anbaugebiete bekannt. Allermeist findet man die Baumvorkommen im Waldverbund an der Baumgrenze mit Lärchenbeständen und ein paar Fichten zusammen, wo sie als Jungpflanzen auch am meisten Schutz vor Wildtierverbiss vorfinden. Die Arven sind meist typischer Bestand der Bergwälder und sie weisen in der sogenannten „Kampfzone“ (obere Waldgrenze) den höchsten Überlebenswillen auf. Neben den bekannten Gebieten in Savoyen, den Walliser und Bündner Südtälern, in Südtirol, im Lungau und in Nordtirol, gibt es auch Vorkommen in den Karpaten, ja sogar am Ural und in der Taiga.
In treuer Symbiose gesellt sich in unseren Breitengraden zur Arve der Tannenhäher – das nicht ganz uneigennützig. Dieser Vogel bevorzugt die Samen der Arven als seine hauptsächliche Nahrungsquelle. Auf Vorrat für den Winter bedacht, versteckt er ab August die Samen vor anderen Fressfeinden an etlichen geheimen Orten, auch über die Waldgrenze hinaus. Weil er sie im kommenden Winter nicht immer alle wiederfindet, steigt im nächsten Frühjahr die Chance zur Keimung.

 

Zwei hohe Arven im Hochwald, Lärche und Arve (vorne) sowie ein mächtiger Arvenstamm mit Wurzelwerk an der Baumgrenze.

Meisterin der Genügsamkeit

So kommt es vor, dass man bei Bergwanderungen einzelne Arven auf Bergwiesen vorfindet. Diese Baumart ist wohl die frosthärteste unseres Kontinents, weil sie ähnlich der Lärche, Minustemperaturen von -40 ° aushalten kann. Obwohl sie feuchtere Nord- und Westhänge zum Gedeihen liebt, findet man sie an den wärmeren Süd- und Südosthängen genauso vertreten. Offenbar kommt sie mit beidem zurecht. Eine Meisterin der Genügsamkeit und Anpassung. Durch ihre Anwesenheit ziert sie die Bergkuppen ringsum, und dies leicht, locker und fein.

Was sind die Eigenschaften der Arve?

Um eine Arve (Zirbelkiefer) von einer anderen Kiefer zu unterscheiden, zählt man am Einfachsten ihre Nadeln beim Zweigaustritt. Im Gegensatz zu anderen Kieferarten, die nur zwei Nadeln pro Büschel aufweisen, verfügt die Arve über ein kleines Büschel von fünf Nadeln pro Austrieb. Diese werden etwa 5 - 10 cm lang und fühlen sich in der Hand auch nicht stachlig an. Auch die Zapfen sind wild in das dichte Nadelkleid des Baumes eingebettet. Ähnlich der Silhouette des Baumes selbst, steht der Zapfen in seiner Form auch etwas „pummelig“ auf dem Zweig, fast so breit wie hoch, in der Größe einer kleinen Mostbirne. Im oberen Drittel des Baumes, auf Kronenhöhe am Kegelrand ordnen sich diese geschlechtsreifen Samengebilde an. Wenn wir ein samentragendes Exemplar im Gebirge beobachten können, handelt es sich dabei meist schon um einen mindestens 40-jährigen Baum.
Das Holz der Arve repräsentiert auch die Merkmale seiner Herkunft: Nicht, weil die Härte ihres Standorts stark zum Ausdruck käme, sondern weil sie selbst anpassungsfähig und zierlich ist. Sie hat genau diesen Charakter in sich und ihrem Holz gespeichert. Ihre zahlreichen Äste, welche eher regellos wie ein „Zwirbel“ am Stamm angeordnet sind, zeugen von ihrem Anpassungsvermögen.

 









Arve ein Holz für Liebhaber

Genau diese Eigenschaft ist neben der am stehenden Baum und auch am gesägten Brett zu spürenden wohltuenden Aura und dem Aroma der wertbildende Aspekt. Betrachtet man die Schnittfläche eines Astes, fällt der ausgeprägte Unterbau am Kern auf, der von der Schneelast zeugt, die der jeweilige Ast im Winter zu tragen hatte.

Ich habe schon viele Leute beobachtet, welche sich am Holz mit ihrer Nase einen tiefen Atemzug gegönnt haben. Ist doch toll! Der rötlich warme Farbton des Kernholzes mit seinen Aromastoffen gibt dann im verarbeiteten Endprodukt diese Kraft und Ruhe an die neue Umgebung weiter.  

Text: Jakob Röthlisberger

 

Peuplement d'aroles en limite de la zone arborée; tronc tortueux d'un vieil exemplaire ayant résisté aux intempéries.

Mischwald aus Arven und Lärchen im Engadin.